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Führung. In verwirrenden und komplexen Zeiten.

Impulse vom 2. igo-Fachtag

Zertifikat igo Fachtag
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Unter der Überschrift „Führung in verwirrenden und komplexen Zeiten“  lud das igo Institut für Gruppendynamik und Organisationsberatung zum zweiten Mal zu einem Fachtag ein. Dieses Mal konnte der Austausch „in Präsenz“ im Hotel Münster Kongresscenter stattfinden. Das Thema ist hochaktuell, denn viele Führungskräfte empfinden das Führen gegenwärtig als besonders anstrengend. Ganz unabhängig von Branche und Art der Organisation wird die Stimmung im Team oft als angespannt und gereizt erlebt, manchmal sogar scheinbar entgegen der „Faktenlage“. Die (notwendige) Vielzahl an Veränderungen überfordert viele Mitarbeitenden und erfordert andere Formen des Führungshandelns. Zu den vielen Herausforderungen gehören der Generationenwandel, der Fachkräftemangel (die geburtenstarken Jahrgänge der „Babyboomer“ (ca. 1955–1970) gehen JETZT in Rente), die fortschreitende Digitalisierung und die Veränderungen der Arbeitsumgebung und -weisen, zum Beispiel durch Homeoffice und Remote Work. Die Wirtschaftspsychologin Svenja Hofert und Dr. med. Dr. Markus Gantert boten in ihren Vorträgen dazu zwei sehr unterschiedliche und inspirierende Perspektiven. Mit literarischen Blitzlichtern sorgte Andreas Lating aka „Andi Substanz“ für lyrische Anregungen.

Von der Pyramide zum Kreis

Svenja Hofert zeigte unter anderem die Veränderungen in der Erwartungshaltung zwischen den Generationen auf. Waren Arbeitsverhältnisse früher weitgehend hierarchisch geprägt, ist der Wunsch nach „Augenhöhe“ heute überall. Junge Menschen wollen Leistung bringen, fordern aber auch Autonomie und sind nicht mehr bereit, sich „alles zu gefallen lassen“. Das trifft Organisationen in einer Zeit, in der die in den 90er Jahren postulierte „VUCA-Welt“ (volatil, unsicher, komplex, mehrdeutig), mit dem Wandel von starren Organisationen zu kleinen, flexiblen Teams, die autonom handeln, längst noch nicht überall angekommen, geschweige denn umgesetzt wurde, bzw. werden konnte. Doch schon lauert ein „neues“ Schlagwort: „BANU“ für brüchig, angstbesetzt, non-linear und ungewiss. Damit kommt die Forderung an Organisationen und Führungskräfte, „resilient“ zu werden. Svenja Hofert betonte, dass dabei immer an den Strukturen gearbeitet werden sollte. Denn der Versuch das „Mindset“ zu ändern bringe nichts. Organisationen sollen weg von pyramidalen, hierarchischen Strukturen hin zu kreisförmigen Strukturen. Business-Ökosysteme statt Konzerne, weg vom Individuum hin zur Zusammenarbeit und kollektiver Intelligenz. Daraus resultiert dann oft der Wunsch, dass Mitarbeitende „wie Unternehmer“ denken sollen.

In der anschließenden Diskussion in der Resonanzgruppe wurde jedoch deutlich, dass dies in der Realität schnell an Grenzen stößt – nicht nur am Können oder Wollen, sondern an nicht zu beeinflussenden Rahmenbedingungen wie dem Arbeitsrecht. In einer Werbeagentur sind Projektorientierung, Teamarbeit und digitale Zusammenarbeit natürlich keine neuen Begriffe, ganz anders als zum Beispiel in kirchlichen Einrichtungen, die zudem mit einer völlig anderen Qualität des Fachkräftemangels umgehen müssen. Trotzdem bot der Vortrag und die Diskussion auch für mich spannende Ansatzpunkte, wie eine Unterscheidung zwischen operativen Teams, die direkt am Kunden arbeiten, und Dienstleisterteams, die intern zuarbeiten. Auch der Aufruf, sich nicht an denen abzuarbeiten, die nicht wollen, sondern einen „Lichtkegel auf die, die wollen“ zu setzen, hallt für mich nach. Teams profitieren von Diversität und dazu gehört eben auch, dass nicht alle alles genau so sehen wie man selbst. Eigentlich eine Binse, aber im Alltag bin ich eben doch enttäuscht, wenn zum Beispiel Vortrags- oder Workshop-Angebote nicht wahrgenommen werden.

Mehr Leadership wagen!

Der zweite Vortrag relativierte dann viele „meiner“ Probleme deutlich. Dr. med. Dr. Markus Gantert warf ein Schlaglicht auf die Zustände und Herausforderungen im Gesundheitswesen. Hier stellen sich die Fragen nach Gewinnen und Halten von Mitarbeitenden mit einer ganz anderen Brisanz. Erschreckend war zum Beispiel zu hören, dass seit Corona jährlich rund 3,5 Mio. stationäre Behandlungen pro Jahr weniger durchgeführt werden können, weil das medizinische Personal fehlt. Die Gründe dafür sind vielfältig und seit 30 Jahren systemisch, sodass sie sich kaum und vor allem nicht kurzfristig lösen lassen. Von seinem Vortrag bleibt mir vor allem der Satz im Gedächtnis, dass man als Führungskraft „multiple Rationalitäten (an-)erkennen muss“. Im Krankenhaus prallen zum Beispiel medizinische, juristische und ökonomische „Logik“ aufeinander. Auch hier gab es im Anschluss wieder eine Resonanzgruppe, in der lebhaft diskutiert wurde.

Insgesamt war der igo-Fachtag eine wertvolle Gelegenheit, um sich mit anderen Führungskräften auszutauschen. Ich konnte viele Anregungen mitnehmen, die mich noch lange beschäftigen werden. Vielen Dank an das igo-Team für die tolle Vorbereitung und Durchführung!


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