Was eine „Biodiversitätsshow“ mit Gestaltung, Kommunikation und Unternehmensführung zu tun hat

Eine Biodiversitätsshow von einem DJ im Teutoburger Wald? Mein Interesse war geweckt. Nicht nur wegen des Formats, sondern weil hinter der Show Dominik Eulberg steckt: international erfolgreicher Musiker, studierter Biologe und leidenschaftlicher Vermittler ökologischer Zusammenhänge. Seine Spezialität: Naturwissenschaft sinnlich erlebbar zu machen – durch elektronische Musik, visuelle Inszenierungen und persönliche Erzählungen. Also auf zur Draiflessen Collection, einem 2009 von der Unternehmerfamilie Brenninkmeijer (C&A) gegründeten privaten Museum in Mettingen.
Eulberg gilt als einer der Pioniere des „Öko-Techno“ und bewegt sich seit über zwei Jahrzehnten an der Schnittstelle von Clubkultur und Naturbewusstsein. Seine Tracks erscheinen auf renommierten Labels wie Traum Schallplatten und Cocoon, finden sich regelmäßig in den deutschen Charts – und seine Live-Auftritte füllen ebenso Clubs wie Kulturhäuser.
Gleich zu Beginn verwies Eulberg darauf, dass Kunst und Wissenschaft früher eng verbunden waren. Er erinnerte an Sybille Merian, die im 17. Jahrhundert als Künstlerin und Naturforscherin tätig war. Diese interdisziplinäre Haltung zieht sich durch den gesamten Abend. Kunst und Wissenschaft als verwandte Praktiken: hinschauen, begreifen, weitergeben.
Mühelos spannt Eulberg einen großen Bogen zwischen Wissensvermittlung, Naturerfahrung und Aktivierung. Die Biodiversitätskrise umfasst viel mehr als das Aussterben von Arten und bedroht die menschliche Existenz direkt. Sie ist in ihrer Tragweite bedrohlicher als die Klimakrise, wird im öffentlichen Bewusstsein jedoch deutlich weniger wahrgenommen.
Eulbergs Mission: Verstehen durch Faszination
Er zitiert Goethe mit den Worten: „Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht“ und erläutert damit seine Mission: Er möchte seine Reichweite als Musiker nutzen, um mit seinem Fachwissen als Biologe für die Natur und deren Schutz zu begeistern. Sympathisch, bescheiden und unaufgeregt vermittelt Eulberg biologisches Wissen über die Natur direkt vor unserer Haustür.
So präsentiert er beispielsweise heimische Fledermausarten, die perfekt an ihre ökologischen Nischen angepasst sind – mit jeweils differenzierten Jagdtechniken. Dabei erklärt er das Prinzip der evolutionären Konvergenz: Die Natur hat das Fliegen mindestens viermal unabhängig voneinander „erfunden“. Insekten fliegen seit etwa 400 bis 450 Millionen Jahren. Flugsaurier – die ersten Wirbeltiere mit aktivem Flug – entwickelten vor rund 225 Millionen Jahren eine Flughaut, die über einen stark verlängerten vierten Finger gespannt war. Vor etwa 150 Millionen Jahren verwandelten Vögel ihre Arme in Flügel mit Federn und hohlen Knochen zur Gewichtsreduzierung. Seit etwa 50 Millionen Jahren gibt es Fledermäuse, die mit einer Flughaut, die sich zwischen verlängerten Fingern, Körper und Beinen aufspannt, unterwegs sind.
Interessant ist auch die von Eulberg vorgestellte Megaherbivorenhypothese. Diese Theorie besagt, dass große Pflanzenfresser wie Wisente, Auerochsen und Hirsche durch ihr Weideverhalten die Ausbreitung dichter Wälder verhinderten. Stattdessen hätten sie eine offene, parkähnliche Landschaft mit einem Mosaik aus Wäldern, Graslandschaften und Lichtungen gefördert. Erst mit dem Rückgang dieser großen Herbivoren, insbesondere durch menschliche Einflüsse im Holozän, konnten schattentolerante Baumarten wie die Rotbuche dominanter werden und sich flächendeckend ausbreiten. Dies deutet darauf hin, dass die heutigen Buchenwälder eher das Ergebnis eines gestörten Gleichgewichts sind als ein ursprünglicher Naturzustand.
Für mich steckt darin auch ein Impuls jenseits der Biologie: Systeme, die auf Vielfalt, Offenheit und Anpassungsfähigkeit setzen, sind langfristig stabiler als solche, die nur auf Kontrolle ausgerichtet sind. Vielleicht lohnt es sich, auch in Organisationen häufiger über ‚gestörte Gleichgewichte‘ nachzudenken – und darüber, wie Resilienz jenseits von Effizienz entstehen kann.
Ökologische Perspektiven und visuelle Vermittlung
Eulbergs Präsentation verbindet anschauliche Diagramme, schematische Skizzen zur Anatomie mit künstlerischen Illustrationen – die er auch für die Artworks seiner musikalischen Veröffentlichungen und Bücher einsetzt. Dabei ist nicht alles glatt durchgestaltet: Kleine Brüche, stilistische Sprünge und charmante Unschärfen spiegeln seine eigenwillige Mischung aus Naturwissenschaft, Kunst und einer gewissen, angenehm versponnenen Verschrobenheit.
Seine Vortragspassagen verbindet er durch Tracks und kunstvoll montierte Naturaufnahmen, die in Zusammenarbeit mit Naturfilmern wie Jan Haft entstehen. Er zeigt Vögel, Schmetterlinge, Ameisen, Glühwürmchen und mikroskopische Rasterelektronenbilder von Mikroben wie dem Bärtierchen. Diese musikalischen Abschnitte sind jedoch nicht nur atmosphärische Brücken. Sie erfüllen auch einen didaktischen Zweck: Sie geben dem Publikum Gelegenheit, das zuvor Gehörte zu verarbeiten.
Gerade in einer Zeit, in der viele Marken nach Relevanz und Haltung suchen, zeigt Eulbergs Show ein Prinzip, das auch in der Kommunikation funktioniert: nicht alles erklären, sondern Atmosphären schaffen. Inhalte, die sich setzen dürfen, wirken nachhaltiger als solche, die auf Sofortwirkung zielen.
Seine Begeisterung steckt an
Als Designer und Dozent interessiere ich mich seit Jahren für die Frage, wie komplexes Wissen so vermittelt werden kann, dass es bewegt und berührt, ohne belehrend zu wirken. In meinem Seminar an FH Münster konnten die Studierenden zum Beispiel in Projekten zu Photonik oder zu Anwendungen für UV-Strahlung Brücken zwischen Wissenschaft und Alltag bauen. Dafür ist Eulbergs Show eine Inspiration, weil er über disziplinäre Grenzen hinweg denkt: Natur darf schön sein. Wissenschaft darf faszinieren. Und Clubmusik darf politisch sein. Oder, um es mit seinen Worten zu sagen: „Es geht nicht nur ums Wissen – es geht ums Spüren.“
Vielleicht liegt genau darin eine Aufgabe strategischer Arbeit heute: nicht alles neu zu erfinden, sondern das Bekannte neu zu sehen – und anders zu erzählen.
So gehe ich fast jeden Morgen zu Fuß zur Arbeit durch das Landschaftsschutzgebiet Kinderbachtal. Dort habe ich schon Störche, Nutria, Falken und andere Tiere beobachtet. Künftig werde ich noch genauer darauf achten, welche Tiere dort zu entdecken sind.
Einen Eindruck von Domink Eulberg gibt es in dieser Aufzeichnung aus der Körber-Stiftung (2023):