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The Future of Reading?

Rückblick auf die FURE 5

FURE 5 Future of Reading
Mike John Otto

Am 3. März 2024 bot die 5. FURE Konferenz an der Münster School of Design eine gute Gelegenheit, um über die Zukunft des Lesens zu diskutieren und die Verbindung zwischen Lesen, Schreiben und Design zu erkunden.

Die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwerfungen beeinflussen die Rolle und (Selbst-)Wahrnehmung des Kommunikationsdesigns. Man spürt, es ist etwas in Bewegung geraten. Von der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Lesens bis zur Rolle des Schreibens bei der Kreation und den Perspektiven des Berufsbilds – die 5. Ausgabe der FURE umfasste ein breites Themenspektrum. Dazu hatten Prof. Rüdiger Quass von Deyen und Patrick Marc Sommer spannende Sprecherinnen und Sprecher eingeladen:

Lesen für die Zukunft

Lesen als Schlüssel zu gesellschaftlicher und politischer Teilhabe stand im Fokus der ersten beiden Vorträge. Karin Schmidt-Friderichs gab als Vorsteherin des Börsenvereins des deutschen Buchhandels einen guten Gesamtüberblick, den Jutta Echterhoff im zweiten Vortrag mit Blick auf die Frage „Wie liest die Gen Z?“ vertiefte. Bei näherer Betrachtung zeigt sich ein vielschichtiges Bild. Denn sowenig es „die“ Jugendlichen gibt, so wenig stimmen pauschale Zuschreibungen wie „Gen-Z liest nur noch am Bildschirm“. So sind Bücher bei Teilen der Jugendlichen nicht nur „hip“, sondern Belesenheit schon fast so etwas wie ein Statussymbol. Auf der anderen Seite kann rund ein Viertel der Kinder am Ende der Grundschulzeit nicht sinnentnehmend lesen. Das heißt, sie hangeln sich Buchstabe für Buchstabe durch einen Text. Hier muss die Bildungspolitik dringend nachsteuern. Dabei sollten sich digitale und analoge Medien sinnvoll ergänzen.

Lesearten im Übergang

Nach der Kaffeepause ging Prof. Philipp Pape in seinem Vortrag dem Begriff „Lesen“ auf den Grund. Ausgehend von den 1997 von Hans Peter Willberg und Friedrich Forssmann in „Lesetypografie“ definierten Lesearten – unterscheidet er vier Arten des Lesens: aktiviertes Lesen (durch Gestaltung geweckte Aufmerksamkeit), orientierendes Lesen („Scannen“), kontinuierliches Lesen (z. B. Romane) und vortragendes Lesen (z. B. Gedichte).

Diese Gedanken führte der Journalist Olaf Wittrock später in seinem Vortrag „Futtersuche – eine neue Art des Nachrichtenkonsums“ weiter. Denn die Art, wie Menschen Nachrichten konsumieren, hat sich durch das Internet und die sozialen Medien verändert. Die „Enthabitualisierung der Information“ setzt sich fort. Das spiegelt sich in zunehmender Akzeptanz der Aussage: „Heutzutage muss man sich nicht mehr täglich über das aktuelle Geschehen informieren. Durch das Internet kann man Informationen jederzeit bekommen, wenn man sie gerade braucht oder sie einen interessieren.“ Zwischen hoch- bzw. überinformierten Viellesern und denjenigen, die passiv darauf warten, dass relevante Nachrichten sie schon irgendwie erreichen werden – dem „Informationsprekariat“, wie Wittrock es nennt – liegen Welten. Hier würde es sich sicher lohnen, tiefer in die Gründe und Ausprägungen einzusteigen.

Dazwischen widmeten sich zwei Vorträge speziellen Anwendungsfällen von Lesen und Typografie. Teresa Döge und Florian Riedel zeigten spannende VR-Anwendungen, die historische Orte und Gebäude vielfältig erlebbar machen. Hier dient Typografie nicht nur zum Vermitteln von Informationen im virtuellen Raum. Sie schafft auch Emotionen und verstärkt die Immersion, das Gefühl des Eintauchens in die VR-Experience.

Lisa Fischbach und Nils Thomson von den TypeMates warfen in ihrem Vortrag „Custom is key, aber Lesbarkeit ist auch was Feines“ einen Blick auf die Gestaltung von Schriften für Auftraggeber wie den FC Bayern München oder den Tastaturhersteller Cherry. Sie zeigten, wie ganz unterschiedliche Anforderungen und Wünsche zu ausdrucksstarken Schriftdesigns führen.

Be informed, not influenced

Die Bachelor-Absolventinnen Stella Schafrick und Lia-Charleen Langer stellten ihre „Initiative Proof“ vor. Ein – leider (noch) fiktives – Projekt, das junge Menschen zur kritischen Auseinandersetzung mit Nachrichten und zu mehr Medienkompetenz befähigen soll. Kern der Initiative ist ein KI-Tool, das eine Einschätzung zum Wahrheitsgehalt von Nachrichten gibt und weitere Quellen zum jeweiligen Kontext liefert. Dafür haben die beiden eine sehr ansprechende und zeitgemäße Visualisierung gefunden – samt passendem Merchandise.

Die Bedeutung eines tiefen Wissensschatzes

Mike John Otto betonte in seinem Vortrag „No Input/No Output“ die Bedeutung von (meistens ja angelesenem) Wissen und der Fähigkeit zu (Be-)Schreiben bei der Erschaffung von „Art driven Narratives“. Provokant stellte er die Frage: „Liebe Designer, die ihr glaubt, dass Lesen und Schreiben nichts mit eurem Job zu tun hat: Seid ihr wirklich Designer oder lediglich Gestalter einer oberflächlichen Ästhetik?“ Dazu stellte er spannende Cases vor, z. B. für DIESEL, in den seine eigene Begeisterung für Filme wie Blade Runner oder Dune genau so einfloss wie der Musikgeschmack seines 13-jährigen Sohns.

It’s not about decoration – it’s about intention.

Den Abschluss des Tages bildete Thomas Poschauko, der „Neue Wege für den Designberuf – mit Herz, Hand und KI“ erkundete. Für ihn liegen die zentralen Aufgaben und Stärken der visuellen Kommunikation in vier Feldern: „Bündeln und Vereinfachen“, „Vision und Atmosphäre ausbreiten“, „Psychologie + ,Zielgruppe‘ erreichen“ sowie „Um Herz und Spirit kümmern, emotional einspüren“. Seine eigene Rolle beschreibt er inzwischen als „visuell gestützte Prozessbegleitung“. Weitere mögliche Felder für den Designberuf sieht er zum Beispiel in Forschung und Entwicklung, Informatik und IT, aber auch in Feldern wie Pädagogik oder im Handwerk.

Thomas Poschauko auf der FURE 5 Future of Reading
Thomas Poschauko

Fazit: Yes, there is a future of reading

Die FURE bot für mich, wie schon die FURE 2018, einen spannenden Bogen von den großen Metathemen, wie die Entwicklung der Gesellschaft und die Veränderungen der Medienwelt, bis zu „Hands-on“-Designthemen wie Typografie und Schriftgestaltung.

Für mich persönlich waren vor allem die Anstöße zur Entwicklung des Berufsbilds relevant. Sowohl in meiner Rolle als Leitung der Kreation bei LIVING CONCEPT, als auch in meiner Lehrtätigkeit an der FH Münster, erlebe ich, dass der Beruf „Kommunikationsdesign“ sich immer schwieriger klar definieren lässt. Das erschwert die Orientierung, bietet aber auch vielfältige Möglichkeiten für individuelle Definitionen und Rollenmodelle.

Dazu habe ich neue Werkzeuge und Tools kennengelernt, die auf meine – inzwischen leider schon sehr lange – Liste von Dingen, die ich mal ausprobieren möchte, kommen: HDRI und Equirectangular Grids für schnelle VR-Prototypen, www.vizcom.ai für KI-gestützte Visualisierung von Produktideen oder paged.js um Webinhalte nahtlos in Printmedien zu verwandeln.

Danke an die Organisatoren der FURE und an die Sprecherinnen und Sprecher für diesen vielfältigen und inspirierenden Tag!